[Ratgeber] Ab wann hat man es eigentlich mit OT (Operational Technology) in Produktionsanlagen zu tun ?

Man spricht von OT (Operational Technology) in Produktionsanlagen, wenn Technologien eingesetzt werden, um den direkten Betrieb von Produktionsprozessen zu steuern, zu managen oder zu überwachen. Dazu gehören beispielsweise Steuerungs- und Regelungssysteme, Sensorik, Aktorik, Feldgeräte, Prozessleitsysteme oder Robotik.

Typischerweise finden sich OT-Technologien in Produktionsanlagen, in denen industrielle Prozesse ausgeführt werden, wie beispielsweise in der Produktion von Lebensmitteln, Chemikalien und Pharmazeutika, im Automobil- oder Maschinenbau oder in Kraftwerken und Energieversorgungsanlagen.

Im Gegensatz dazu bezieht sich IT (Informationstechnologie) auf die Verarbeitung, Speicherung und Übertragung von Daten und Informationen. In Produktionsanlagen wird IT beispielsweise eingesetzt, um den Produktionsprozess zu überwachen, Daten zu sammeln, Datenaustausch mit anderen Systemen oder um Wartung und Diagnose durchzuführen.

Insgesamt gilt, dass die Zusammenführung von IT und OT zunehmend an Bedeutung gewinnt, um Produktionsprozesse besser zu optimieren und zu steuern. Dies wird auch als Industrie 4.0 bezeichnet.

Welche Ebenen in OT Umgebungen gibt es?

Die Organisationpyramide von OT-Systemen besteht in der Regel aus vier Ebenen, von denen jede eine spezifische Aufgabe hat:

Feldebene:

Die Feldebene ist die unterste Ebene der Organisationpyramide und umfasst die eigentlichen Geräte, Komponenten und Sensoren in der Produktionsanlage. Hier werden die Daten und Signale von den Sensoren erfasst und an die nächste Ebene weitergegeben.

Sie umfasst alle Geräte, Sensoren und Aktoren, die direkt in der Produktionsanlage installiert und zur Steuerung, Überwachung und Erfassung von Prozessdaten verwendet werden. Typischerweise werden in der Feldebene verschiedene Komponenten eingesetzt, die im Folgenden genauer beschrieben werden:

1. Sensoren: Sensoren beziehen Informationen aus der Umgebung der Produktionsanlage. Sie sind z.B. verantwortlich für die Messung von Temperaturen, Druck, Durchfluss, pH-Wert oder anderen physikalischen oder chemischen Größen. Die von den Sensoren erfassten Daten werden an die nächste Ebene weitergeleitet, um Verarbeitung und Steuerung der Prozesse zu ermöglichen.

2. Aktoren: Aktoren sind mit der Steuerung von Geräten in der Produktionsanlage verbunden. Sie sind beispielsweise für die Steuerung von Ventilen, Pumpen, Motoren oder anderen Geräten verantwortlich. Über die Aktoren werden die von der Steuerungsebene berechneten Steuerkommandos an die Geräte in der Produktionsanlage gesendet.

3. Feldgeräte: Feldgeräte sind kompakte Steuerungssysteme, die häufig direkt vor Ort installiert werden, um Geräte zu überwachen, zu steuern und zu automatisieren. Die Geräte können z.B. IO-Module, Dezentrale E/A-Systeme, Geräte zur Gas- oder Flüssigkeitsanalyse, Feldbus-Gateways oder sonstige dezentrale Steuerungselemente sein.

4. Kommunikationsprotokolle: Die verschiedenen Komponenten auf der Feldebene kommunizieren miteinander über unterschiedliche Kommunikationsprotokolle. Einige gängige Protokolle in der Feldebene sind Modbus, Profibus, HART (Highway Addressable Remote Transducer Protocol) oder 4-20mA.

Steuerungsebene:

Die Steuerungsebene bildet die nächsthöhere Ebene der Organisationpyramide in einem OT-System und umfasst die Komponenten, die auf der Feldebene erfasste Daten verarbeiten. Die Steuerungsebene ist für die direkte Steuerung der Produktionsanlage verantwortlich und stellt eine Schnittstelle zwischen der Feldebenen und der Leitebene dar.

Typische Komponenten der Steuerungsebene sind:

1. Steuerungssysteme: Steuerungssysteme auf der Steuerungsebene umfassen in der Regel programmierbare Steuerungen wie PLCs (Programmable Logic Controllers) oder RTUs (Remote Terminal Units). Diese Steuerungen dienen der Überwachung und Steuerung von Geräten und Prozessen und liefern Daten und Informationen über den Zustand der Produktionsanlage.

2. Schnittstellenkomponenten: Schnittstellenkomponenten wie Sensoren oder Aktoren, die auf der Feldebene eingesetzt werden, sowie die an die Infrastruktur angeschlossenen Netzwerke und Protokolle werden über die Schnittstellen auf der Steuerungsebene in die Steuerungsstrategie integriert.

3. Lokale Benutzerschnittstellen: Lokale Benutzerschnittstellen wie Bedienpanels, Tablets oder Touchscreens werden häufig eingesetzt, um dem Bediener auf der Steuerungsebene direkten Zugriff auf die Steuerung und Überwachung der Produktionsanlage zu ermöglichen. Über diese Schnittstelle hat der Bediener oft auch die Möglichkeit, Parameter der Anlagensteuerung zu bearbeiten und Protokolle oder Alarmmeldungen einzusehen.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Steuerungsebene ist die Überwachung und Regelung von Produktionsprozessen in Echtzeit. Hierzu werden Algorithmen und Steuerungsstrategien eingesetzt, die die von den Feldebenen erfassten Daten verarbeiten und die Aktoren auf der Feldebene entsprechend steuern. Im Falle von Störungen oder Fehlfunktionen werden Alarmmeldungen an den Bediener auf der Steuerungsebene gesendet, der dann angemessene Maßnahmen ergreifen kann.

Insgesamt spielt die Steuerungsebene eine zentrale Rolle bei der Integration von Feldebenen in die Automation und der Effizienzsteigerung in der Produktion.

Leitebene:

Die Leitebene, die auch als HMI (Human-Machine-Interface) bezeichnet wird, bildet die dritte Ebene in der Organisationpyramide eines OT-Systems zur Steuerung und Überwachung von Produktionsprozessen. Die Leitebene ist für die Integration der auf der Steuerungsebene generierten Daten, für die Überwachung und Diagnose von Prozessen sowie für das Angebot einer Benutzerschnittstelle für das Bedien- und Wartungspersonal verantwortlich.

Typische Komponenten auf der Leitebene sind:

1. SCADA-Software: Die SCADA-Software ist ein wichtiger Bestandteil der Leitebene und stellt ein zentrales Element zur Steuerung der Produktion und Überwachung der Anlagenperformance dar. Die Software ermöglicht es dem Bediener, den Zustand der Anlage in Echtzeit zu überwachen, Prozessdaten anzusehen, Prozessänderungen vorzunehmen und Alarmmeldungen abzuarbeiten.

2. Visualisierung: Die Software bietet die Möglichkeit, Prozessinformationen auf einer grafischen Oberfläche darzustellen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch häufig von einem HMI, da sich durch die grafische Darstellung eine intuitive Bedienung ergibt.

3. Reporting: Die SCADA-Software bietet auch umfangreiche Reporting-Möglichkeiten, um Einblick in Prozessdaten und Anlagenperformance zu erhalten und somit eine kontinuierliche Überwachung der Produktionsprozesse zu ermöglichen.

4. Alarmierung und Diagnose: Bei der Diagnose von Anlagenfehlern ist die SCADA-Software in der Lage, Alarmmeldungen auszulösen und somit eine schnelle Erkennung und Behebung von Anlagenfehlern zu ermöglichen.

Insgesamt spielt die Leitebene in der Produktion eine wichtige Rolle bei der Integration von Prozessdaten aus der Steuerungsebene, der Überwachung der Anlagenleistung und der Umsetzung von Optimierungspotenzialen. Sie bietet dem Bediener das erforderliche Instrumentarium zur Steuerung, Überwachung und Diagnose von Anlagenprozessen und trägt damit wesentlich zur Effizienzsteigerung in der Produktion bei.

Viele innovative Softwaretools, die ihren Ursprung in der IT haben, finden auf dieser Ebene immer mehr Anwendung und verdrängen große monolytische SCADA-Software bereits teilweise. Ein Trend der u.A. auch als Konvergenz von IT/OT zur Industrie 4.0 verstanden wird.

Unternehmensebene:

Die Unternehmensebene bildet die vierte und oberste Ebene in der Organisationpyramide eines SCADA-Systems und hat als Ziel, die Prozesse in der Produktion in Einklang mit den Geschäftszielen und -anforderungen des Unternehmens zu bringen. Die Unternehmensebene greift dabei auf die auf den anderen Ebenen erhobenen Daten und Informationen zurück, um Entscheidungen zu treffen und die Gesamtperformance der Produktion zu steuern.

Typische Komponenten auf der Unternehmensebene sind:

1. Geschäftsanalyse: Die Unternehmensebene verfolgt das Ziel, Daten aus der Produktion in Echtzeit zu sammeln und zu analysieren, um die Gesamtperformance der Produktion in Relation zu den Geschäftszielen zu bringen. Die gesammelten Daten können beispielsweise zur Optimierung von Prozessen, zur Analyse von Produktionsmargen oder zur Steigerung der Produktionseffizienz genutzt werden.

2. Planung: In der Unternehmensebene werden auch Entscheidungen bezüglich der Planung neuer Produktionsanlagen, Technologien oder Prozessabläufe getroffen. So können Kapazitätsanforderungen vorweggenommen und die Anlagen auf zukünftige Produktionsszenarien oder Markttrends ausgerichtet werden.

3. Überwachung von Compliance-Standards: In der Unternehmensebene können auch Compliance-Checks durchgeführt werden, um sicherzustellen, dass alle Prozesse und Abläufe mit den relevanten Vorgaben, rechtlichen Anforderungen und Sicherheitsstandards im Unternehmen im Einklang stehen.

4. Geschäftsprozessintegration: Hierbei geht es darum sicherzustellen, dass die Prozesse in der Produktion eng mit den Geschäftsprozessen des Unternehmens verknüpft sind. So können Fremdwährungsrisiken minimiert, der Umsatz im Einklang mit den Anforderungen der Kunden geplant und optimiert werden.

Zusammenfassend hat die Unternehmensebene im SCADA-System die Aufgabe, eine effektive Steuerung der Produktion im Kontext der Geschäftsstrategie und der langfristigen Ziele des Unternehmens zu gewährleisten. Die Unternehmensebene kann entscheidend dazu beitragen, die Effizienz der Produktion zu steigern und sich frühzeitig an veränderte Marktbedingungen anzupassen.

Im Artikel

IT und OT. Wo ist eigentlich der Unterschied? (erscheint bald)

klären wir noch einmal genau, wo die Unterschiede dieser beiden Bereiche liegen und welche unterschiedlichen Anforderungen an Betriebs-, Informations- und Cybersicherheit vorherrschen.